Der Oberste Gerichtshof ist von seiner bisherigen Rechtsansicht abgegangen. Mit Urteil vom 20. April 2010, hat er nunmehr entschieden, dass nicht nur eine Bürgschaft, sondern auch ein Schuldbeitritt nur dann rechtlich wirksam ist, wenn er schriftlich vereinbart wurde.
Ein bloß mündlich vereinbarter Beitritt zu einer fremden Schuld ist so rechtlich nicht (mehr) durchsetzbar.
Ausgangslage.
Bei der Vergabe von Darlehen oder Krediten wird häufig ein zusätzlicher Schuldner verlangt; ein Kredit wird so erst dann gewährt, wenn dem Kreditgeber neben dem Vermögen des Hauptschuldners eine zweite Vermögensmasse zur Befriedigung zur Verfügung gestellt wird. Der so erforderliche Interzedent – ein Bürge, Garant oder ein Mitschuldner – macht so regelmäßig die Kreditierung erst möglich.
Hauptschuldner und Interzedent haften dem Gläubiger mit ihrem gesamten Vermögen. Bezahlt der Interzedent die Verbindlichkeit des Hauptschuldners, steht ihm gegen diesen ein Rückforderungsanspruch (Regressanspruch) zu.
Bürgschaft, Schuldbeitritt oder Garantie?
Alle drei Formen der Interzession, also Bürgschaft, Schuldbeitritt und Garantie haben zwar regelmäßig denselben Zweck, dennoch sind diese Vertragstypen mit unterschiedlichen rechtlichen Folgen verknüpft; der konkrete Schuldinhalt variiert voneinander:
Bei einer Bürgschaft verpflichtet sich der Bürge zur Befriedigung des Gläubigers für den Fall, dass der eigentliche Schuldner (Hauptschuldner) nicht zahlt. Der Bürge hat erst zu leisten, wenn der Hauptschuldner trotz Mahnung des Gläubigers nicht leistet (Subsidiarität). Zudem ist die Bürgschaft vom Entstehen und vom Bestand der Hauptforderung abhängig. Geht die Verbindlichkeit des Hauptschuldners unter, muss auch der Bürge nicht mehr leisten (Akzessorietät).
Beim Schuldbeitritt tritt ein zweiter Schuldner der Schuld einer anderen Person bei. Der alte Schuldner bleibt weiterhin unverändert gebunden; der Gläubiger hat nun aber zwei Schuldner und kann wählen, ob er den ersten oder zweiten Schuldner in Anspruch nehmen will. Es besteht so keine Reihung der Schuldner gegenüber dem Gläubiger (keine Subsidiarität).
Bei einer Garantie verspricht eine Person (Garant) dem Begünstigen, für einen gewissen Erfolg einzustehen. Der Garant hat auch dann zu leisten, wenn die Schuld, für die er haftet, nicht wirklich entsteht oder bereits untergegangen ist (keine Akzessorietät).
Trotz aller Unterschiede im Detail ist aber all diesen Geschäften eines gemein: Der Interzedent hat letztlich für eine materiell fremde Verbindlichkeit einzustehen.
Gesetzliches Schriftformgebot.
Im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) findet sich nur für eines der drei Vertragstypen ein gesetzliches Schriftformgebot. § 1346 Abs 2 ABGB verlangt für die Erklärung des Bürgen die Schriftform. Der Vertrag zwischen Bürgen und Gläubiger ist somit schriftlich zu schließen, oder gar nicht wirksam.
Der Bürge soll vor der leichtfertigen Übernahme einer Bürgschaft im Vertrauen darauf, dass der Hauptschuldner ohnehin zahlen werde, geschützt werden.
Eine mündliche Bürgschaftserklärung ist nicht durchsetzbar. Würde ein Bürge aber dennoch freiwillig leisten, könnte er seine Leistung nicht zurückfordern (§ 1432 ABGB). Der Bürge bleibt auf den Rückforderungsanspruch gegen den Hauptschuldner beschränkt.
Schriftformerfordernis bei der Garantie?
Das Gesetz sieht zwar kein Schriftformerfordernis für die Garantie vor; Garantie und Bürgschaft sind einander aber sehr ähnlich und in der Praxis oft nur schwer voneinander abzugrenzen. Zudem wird die Gefahr, dass sich jemand als Garant (zu) leichtfertig zu einer Haftungsübernahme bereit erklärt, als nicht geringer als jene bei einem Bürgen beurteilt.
Die Garantie ist auch intensiver als eine Bürgschaft. Der Garant haftet – im Gegensatz zum Bürgen – selbst dann, wenn die übernommene Schuld nicht oder nicht mehr besteht.
Aus diesem Grund sind nach ständiger Judikatur des Obersten Gerichtshofes die Formvorschriften des Bürgschaftsrechts auch auf Garantieversprechen anzuwenden (OGH 14. Juli 1992, 1 Ob 595/92). Ein Garantieversprechen kann daher, ebenso wie die Bürgschaft, nur schriftlich abgegeben werden.
Schriftformerfordernis beim Schuldbeitritt?
Anders verhält es sich beim Schuldbeitritt. Der Oberste Gerichtshof hat hier die analoge Anwendung der bürgschaftsrechtlichen Formvorschriften auf den Schuldbeitritt lange abgelehnt (erstmals ausführlich OGH 19. Juli 1988, 1 Ob 633/88). Dies mit der Begründung, dass das Schriftformerfordernis des § 1346 Abs 2 ABGB Warnfunktion habe; es vor der leichtfertigen Übernahme einer Bürgschaft im Glauben darauf schützen solle, ohnehin nicht zahlen zu müssen. Diese Gefahr sei aber beim Schuldbeitritt geringer, weil hier dem Übernehmer bewusst sein müsse, dass er eine auf eigene Leistung gerichtete Verpflichtung begründe.
Von dieser – heftig kritisierten – Rechtsansicht ist der Oberste Gerichtshof nun vor wenigen Wochen abgegangen. Mit Urteil vom 20. April 2010, 4 Ob 205/09i hat der Oberste Gerichtshof nunmehr entschieden, dass auch ein Schuldbeitritt nur wirksam ist, wenn er schriftlich vereinbart wurde.
Entscheidend für die Schutzbedürftigkeit des Interzedenten ist nach dieser Entscheidung allein, dass der Interzedent damit rechnen kann, die Schuld (zumindest wegen des Regressanspruchs) letztlich nicht materiell tragen zu müssen. Dies veranlasse Ihn zu einer vorschnellen Haftungsübernahme, welche durch das Schriftsatzerfordernis verhindert werden soll.
Dieses Formerfordernis ist nicht etwa auf Geschäfte mit Verbrauchern beschränkt. Der Oberste Gerichtshof hat in dieser Entscheidung auch klargestellt, dass der durch das Schriftformgebot gewährleistete Mindestschutz auch außerhalb des Konsumentenschutzrechts erforderlich sei; auch der einer Schuld beitretende Unternehmer einen Schuldbeitritt nur schriftlich erklären kann.
Ausblick.
Das vom vierten Senat des Obersten Gerichtshofes erkannte Formerfordernis kann freilich in anderen Fällen von anderen Senaten des Obersten Gerichtshofes anders entschieden werden. Es ist nämlich durchaus möglich, dass andere Senate des Obersten Gerichtshofes abweichende Entscheidungen treffen; also etwa wieder zur bisherigen Rechtsprechung zurückkehren. Dies birgt eine gewisse Rechtsunsicherheit.
Diese Entscheidung des Obersten Gerichtshofes gibt aber allen Praktikern Anlass, für alle drei Formen der Interzession (Bürgschaft, Garantie und Schuldbeitritt) die Schriftform zu wählen. Der sicherste Weg ist nur dann gewählt, wenn man davon ausgeht, dass Interzessionen nur dann wirksam sind, wenn sie schriftlich vereinbart wurden.
Es bleibt aber auch noch abzuwarten, ob der Oberste Gerichtshof das Schriftformerfordernis nicht etwa auch auf ähnliche Sicherungsgeschäfte erstrecken wird. Wird die Judikatur konsequent weiterentwickelt, könnte auch bald der Pfandbestellungsvertrag oder die Sicherungsabtretung einer Schriftform bedürfen.
Da zwischen der Kreditgewährung und der Inanspruchnahme eines Interzedenten oft Jahre – vielfach sogar Jahrzehnte – vergehen (so genug Zeit für allenfalls weitere Änderungen der Judikatur gegeben ist), kann ich jedem Praktiker nur davon abraten, Besicherungen anders als schriftlich vorzunehmen.