Oberster Gerichtshof stärkt Bucheinsichtsrecht von Gläubigern auch nach der Liquidation einer GmbH

18.08.2025 | GmbH-Recht

Aktuelle Entscheidung im Gesellschaftsrecht –
Rechtsanwalt Mag. Patrick Kleinbauer kommentiert die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes im Österreichischen Anwaltsblatt.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat in einer aktuellen Entscheidung (6 Ob 229/24f vom 17.01.2025 ) klargestellt, dass Gläubigern einer GmbH auch nach deren Löschung aus dem Firmenbuch ein Bucheinsichtsrecht zusteht – selbst wenn ihre Forderung noch nicht ziffernmäßig bestimmt ist. Damit stärkt der OGH die Rechte von Gläubigern gegenüber gelöschten Gesellschaften und betont zugleich mögliche Haftungsrisiken für ehemalige Liquidatoren.

Worum ging es konkret?

Ein Gläubiger hatte Einsicht in die Bücher einer gelöschten GmbH beantragt. Diese war als Bauträgerin aufgetreten und hatte dem Antragsteller ein Reihenhaus verkauft, das nachträglich Mängel aufwies. Der ehemalige Liquidator bestritt ein rechtliches Interesse an der Einsicht und bekämpfte den stattgebenden Beschluss des Rekursgerichtes mit einem außerordentlichen Revisionsrekurs.

Was sagt der Oberste Gerichtshof?

Nach § 93 Abs 4 GmbHG besteht das Einsichtsrecht in Bücher und Schriften einer GmbH auch nach deren Löschung weiter – konkret gegenüber dem Verwahrer der Bücher. Dieses Recht dient insbesondere:

  • der Aufdeckung noch vorhandener Vermögenswerte zur Gläubigerbefriedigung,
  • der Prüfung von Haftungstatbeständen, etwa gegen den Gesellschafter oder den Liquidator.

Der OGH stellt klar, dass ein Gläubiger bereits dann ein rechtliches Interesse an der Bucheinsicht hat, wenn seine Forderung glaubhaft gemacht wurde – eine ziffernmäßige Bezifferung ist nicht erforderlich.

Zudem gilt: Ein Gläubiger kann auch dann als „bekannter Gläubiger“ im Sinne des § 91 GmbHG qualifiziert werden, wenn er zum Zeitpunkt der Liquidation noch keine konkrete Forderung geltend gemacht hat. Wird ein solcher Gläubiger nicht verständigt, drohen Haftungsfolgen für den Liquidator persönlich.

Was bedeutet das in der Praxis?

Diese Entscheidung schafft Klarheit zugunsten von Gläubigern und erhöht die rechtliche Verantwortung von Liquidatoren:

  • Gläubiger können auch nach der Löschung der GmbH Einsicht nehmen, um potenzielle Ansprüche zu verfolgen.
  • Liquidatoren sollten sorgfältig prüfen, welche potenziellen Gläubiger zu informieren sind, um persönliche Haftungsrisiken zu vermeiden.

Fazit

Der OGH unterstreicht mit dieser Entscheidung, dass das Bucheinsichtsrecht ein wesentliches Instrument zur Wahrung von Gläubigerrechten bleibt – auch über die Liquidation hinaus.

Für Gläubiger bedeutet dies: Wer begründete Ansprüche hat, kann auch bei bereits gelöschten Gesellschaften noch aktiv werden und relevante Informationen einfordern.

Sie haben Fragen zur Geltendmachung von Forderungen gegen gelöschte GmbHs oder zur Haftung von Liquidatoren? Unser Team berät Sie gerne kompetent und umfassend im Gesellschafts- und Insolvenzrecht.

(LAWPARTNERS rechtsanwälte war an diesem Verfahren beteiligt)

Anwaltsblatt 07-08/2025

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